SF-2011-Ist Musik die Sprache der Gefühle?
Prof. Dr. Eckart Altenmüller
Institut für Musikphysiologie und Musiker-Medizin an der Hochschule für Musik und Theater Hannover
Musik ist neben der Sprache ein zweites, nur den Menschen eigenes Kommunikationssystem. Mit Musik werden mächtige Emotionen erzeugt und soziale Bindungen vertieft und organisiert. Die „Konstruktion“ von Musik in unserem Kopf hängt stark von Lernprozessen ab. Geübte Musiker verarbeiten Musik anders als unerfahrene Hörer. So wird es einem geübten Hörer im Gegensatz zu einem Laien nicht schwer fallen, die Fugenthemen einer Fuge von Johann Sebastian Bach in allen ihren Umwandlungen während des Stückes zu erkennen. Doch auch musikalische Laien können dank der Plastizität des Hörsystems schon nach 20 Minuten Hörtraining ungewohnte Klänge besser unterscheiden. Nach neuen Erkenntnissen hängen auch die Emotionen beim Musikhören teilweise von Lernprozessen ab. Starke Emotionen, die zu einem „Gänsehauterlebnis“ führen, treten dann häufiger auf, wenn musikalische Strukturparameter erkannt werden. Besonders wirkungsvoll sind dabei Verletzungen der musikalischen Erwartung, insbesondere der Einsatz einer Stimme. Dies ist im Einklang mit der Vorstellung, dass Emotionen in engem Zusammenhang mit einem evolutionär sehr alten System der Orientierungsfunktionen stehen.
In dem Vortrag werden neue psychophysiologische und psychoakustische Befunde zu den Emotionen beim Hören von Musik vorgestellt. Typische Merkmale von „Gänsehaut“-Stellen werden erläutert und die Rolle des Lernens für derartige Empfindungen diskutiert. Die psychophysiologischen Reaktionen werden in Bezug zur Neurobiologie emotionaler Systeme gesetzt.