SF-2014 Energiequellen für extreme Lebensgemeinschaften der Tiefsee

Prof. Dr. Antje Boetius,
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und Universität Bremen, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven

Kein anderer Lebensraum der Erde hat so sehr Forscher, Abenteurer und Laien fasziniert wie die Tiefsee. Sie umfasst 98 % des belebten Raumes unseres Planeten. Bis in eine Wassertiefe von über 10.000 m und bis in über 2 km Tiefe unter dem Meeresboden existieren vielfältige Lebewesen. Dank einer Fülle von Anpassungen kommen sie mit Bedingungen zurecht, die sogar für Mikroorganismen als lebensfeindlich gelten: Wasserdrücke bis über 1000 bar, Wassertemperaturen von -1,9 °C bis 130 °C und oft extremer Energiemangel, weil eindringendes Sonnenlicht Photosynthese nur bis in eine Wassertiefe von ca. 200 m ermöglicht. 

In den letzten Jahrzehnten wurden in der Tiefsee an „Oasen der Energieverfügbarkeit“ hochproduktive Ökosysteme entdeckt, die vollkommen unabhängig vom Sonnenlicht sind. Die chemosynthetischen Lebensgemeinschaften an Hydrothermalquellen, bekannt als schwarze und weiße Raucher, sind dafür ein Beispiel: Basierend auf der Veratmung chemischer Energie entstehen dort ganze Nahrungsnetze. Natürliche Austritte von Methan und Erdöl, so genannte kalte Quellen, ernähren andere symbiontische Lebensgemeinschaften aus Archaeen und Bakterien, die zusammen eine anaerobe Oxidation von Methan durchführen. Auch der Kadaver eines verendeten Wales, oder ein abgesunkener Baumstamm kann den Tiefseebewohnern lokal zwar für Jahrzehnte Energie liefern, doch gibt es riesige Bereiche der Weltmeere, in die so wenig Nahrung absinkt, dass man immer noch nicht versteht, wie die vielfältigen Lebensformen sich ernähren können.

So fremdartig und weit entfernt diese extremen Lebensräume zu sein scheinen, sind sie für den Menschen doch von großer Bedeutung. Der Vortrag widmet sich den Fragen, wie das Leben in der Tiefsee funktioniert, wie die Stoffwechselleistungen von Tiefseebewohnern zum globalen Klima beitragen und inwiefern sie anthropogene Verschmutzungen, z.B. nach dem Austritt von Öl und Gas aus einem havarierten Bohrloch, beseitigen können.